Gütestelle Bielefeld

Interview der Stadtteilzeitung Mittelpunkt

Brandneu: Gütestelle im Quartier
Im Quartier gibt es seit dem 2. Mai 2013 eine anerkannte Gütestelle. Sie ist im Umweltzentrum in der August-Bebel-Straße 16-18 zu finden. Dort befindet sie sich im Büro des ersten Geschoss des Gebäudes. An der Tür steht „Gütestelle“ ein neuer Begriff im Haus, wir wollen mehr wissen und verabreden uns mit Gisela Kohlhage zu einem Interview in ihrem Büro. Sie ist Mediatorin und Schlichterin der anerkannten Gütestelle. weiterlesen

Hallo Frau Kohlhage, erst mal herzlichen Glückwunsch zu ja, wie sagt es Frau korrekt, der Erlaubnis eine Gütestelle zu führen?
Vielen Dank, ja ich freue mich auch, dass es mir gelungen ist, hier im Umweltzentrum eine Gütestelle zu platzieren.
Was ist denn eine Gütestelle und wer hat Ihnen die Genehmigung dazu bzw. die Anerkennung erteilt?
Eine Gütestelle ist immer dann von Bedeutung, wenn es um das große Thema Konfliktlösung geht. Die Gütestelle bietet die Möglichkeit sich freiwillig und außergerichtlich zu einigen. Das Ergebnis ist dann für beide Parteien rechtlich verbindlich. Die Legitimation zur Führung der Gütestelle habe ich von dem für Bielefeld zuständigen Oberlandesgericht Hamm erhalten.
Und was qualifiziert genau Sie dazu, eine solche Aufgabe zu übernehmen?
In der Gütestelle fließen die beiden Schwerpunkte meiner akademischen Ausbildung, soziale Verhaltenswissenschaft und Rechtswissenschaft zusammen. Damit kann ich den Konflikt sowohl von der menschlichen Seite angehen als auch von der rechtlichen Seite verstehen. Der Master of Mediation ist meines Wissens die zurzeit höchste Qualifikation, die man als Mediator in Deutschland erwerben kann. Eine zusätzliche Ausbildung in systemischer Therapie ermöglicht es mir, den Konflikt stärker in seinem sozialen Kontext zu begreifen. Und schließlich verfüge ich über reichlich Berufserfahrung in der Beratung, Mediation und Ausbildung von interkulturellen Streitschlichtern.
Da wird mir einiges klar. Aber mal ganz konkret, was ist der Vorteil, wenn ich mich an eine Gütestelle wende statt sofort zu einem Anwalt zu gehen oder direkt zu vor Gericht zu klagen?
Es ist bei manchen Konflikten sogar gesetzlich vorgeschrieben, zunächst eine Einigung mit einem Schiedsmann/ -frau oder bei einer Gütestelle zu versuchen. Das ist z.B. bei Nachbarschaftskonflikten so, oder bei Beleidigungen. Diese haben so zugenommen, dass man hofft, dadurch die Gerichte zu entlasten zu können. Zu anderen hat man in der Praxis die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoller ist, wenn Nachbarn sich ohne Anwälte und Gericht einigen, denn sonst verhärtet sich der Streit oft noch stärker.
Wieso denn das?
Man muss im Blick behalten, dass Anwälte und Gerichte verschiedene Aufgaben haben. Anwälte vertreten die Interessen ihres Mandanten und Gerichte entscheiden über Konflikte, das heißt sie sind auf der Suche nach der Wahrheit oder stellen die Frage wer in einem Prozess „Recht “ und wer „Schuld“ hat.
Und Sie von der Gütestelle entscheiden gar nicht wer Recht oder Schuld hat?
Als Leiterin der Gütestelle interessiert mich vor allem die Konfliktlösung zwischen zwei zerstrittenen Parteien. Die Schuldfrage steht dabei nicht im Vordergrund. Die Schlichter/innen der Gütestellen haben immer die Interessen beider Seiten im Blick und versuchen mit den Konfliktparteien eine Lösung zu finden, mit der alle Seiten einverstanden sind.
So wird vermieden, dass sich jemand als Verlierer fühlt, wie das häufig der Fall ist, wenn ein Dritter (Richter) entscheidet.
Und gibt es neben dem Nachbarschaftsstreit sonst noch weitere Situationen in denen ich gut beraten bin zu Ihnen zu kommen?
Ja, außer in den genannten Fällen bei allen anderen Konflikten, immer dann, wenn man eine Schlichtung für sinnvoller hält als ein Gerichtsverfahren.
Wie verbindlich ist denn die Vereinbarung die ich dann mit meinem Konfliktgegner gefunden habe? Wenn ich es mir dann anderes überlege kann ich dann die Vereinbarung rückgängig machen?
Nein, das können Sie nicht! Wenn eine Einigung gefunden ist, die von beiden Seiten getragen wird, wird auf Antrag von der Geschäftsstelle des Gerichts die Vollstreckungsklausel in die protokollierte Vereinbarung eingetragen. Die Vereinbarungen, die mit einer Gütestelle getroffen werden sind damit für beide Parteien verbindlich und vollstreckbar. Trotzdem sind sie freiwillig, da ohne Zustimmung jeder Konfliktpartei keine Vereinbarung zustande kommen kann. Das ist ein großer Unterschied zum Gerichtsverfahren.
Jetzt noch einige Fragen zum praktischen Vorgehe: Wie kommt ein Gütestellenverfahren in Gang? Wer muss dafür was tun?
Eine Partei muss einen Antrag stellen, indem sie den Konfliktgegenstand und die Gegenseite genau benennt. Der Antrag wird per Fax, Mail oder Post an die Gütestelle geschickt.
Gibt es Vorschriften wie der Antrag aussehen muss?
Der Antrag ist formlos möglich, aber er muss den Gegenstand und den Antragsgegner präzise benennen. Das ist notwendig, denn eine Güteverhandlung unterbricht die Verjährung für mindestens drei Monate. Bei Bedarf kann ich den Antragsteller bei der Formulierung unterstützen. Dafür machen Sie telefonisch einen Termin aus. Der Antrag wird, nachdem die Antragsgebühr bezahlt wurde, dem Antragsgegner mit einem Terminvorschlag für die Güteverhandlung zugestellt. Man kann damit rechnen, dass das Einigungsgespräch nach ca. 2-3 Wochen stattfindet.
Das ist ja viel schneller als ein möglicher Gerichtstermin oder?
Ja, genau, dieses Verfahren ist wesentlich schneller als bei Gericht und doch so, dass alle Zeit haben, sich angemessen vorzubereiten. In dem Gespräch hat dann jeder Gelegenheit, seine Sichtweise zu verdeutlichen. In dieser Phase setzte ich wissenschaftlich fundierte und in der Praxis bewährte Kommunikationsmethoden ein, um eine Annäherung der zerstrittenen Parteien zu erzielen. Denn wie schon beschrieben, ist es mein Ziel, dass alle relevanten Interessen beider Seiten berücksichtigt werden.
Uff, das hört sich nach einem längeren Prozess an. Wie lange dauert es, bis eine Einigung erzielt wird?
Das hängt natürlich weniger von dem Konfliktgegenstand ab, als vielmehr von der emotionalen Beteiligung. In der Regel sind ein bis zwei Gespräche ausreichend. Probleme die über einen längeren Zeitraum gewachsen sind, benötigen aber manchmal auch einen längeren Zeitraum, bis eine konstruktive Lösung gefunden wird. Vielleicht sind dazu auch mehrere Gespräche nötig. Die Konfliktparteien bekommen soviel Zeit.
Noch eine letzte Frage, wie viele Gütestellen gibt es in Bielefeld und wie finde ich die „richtige“ für mich?
Mir sind nur zwei weitere Gütestellen in Bielefeld bekannt. Es gibt darüberhinaus noch 13 sogenannte Schiedsbereiche mit gewählten Schlichtungspersonen, die auch verbindliche Schlichtungen herbeiführen dürfen. In den obligatorischen Fällen, wie bereits besprochen z.B. beim Nachbarschaftsstreit, müssen Sie die Gütestelle/Schiedsstelle aus dem Bezirk wählen, in dem der Antragsgegner wohnt. In allen anderen Fällen können Sie frei wählen. Die Arbeit der Gütestelle ist nicht auf den Stadtteil beschränkt, die Konfliktparteien können sogar aus anderen Städten kommen.
Abschließend würde ich aber empfehlen, darauf zu achten, dass die Schlichtungsperson eine Ausbildung hat, die sie befähigt, die Perspektiven beider Seiten zu berücksichtigen. Über eine solche Ausbildung verfügen jedenfalls qualifizierte Mediatoren.

Frau Kohlhage, herzlichen Dank für die Infos, jetzt bin ich um einiges schlauer. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und hoffen, dass dieser Weg zur unbürokratischen Streitbeilegung auch entsprechend angenommen wird und damit nicht nur das Zusammenleben in unserem Stadtteil friedlicher und harmonischer wird, sondern vielleicht sogar darüber hinaus.
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